Als ich 2014 das Editorial über ein Vierteljahrhundert Concept Sailing schrieb, dachte ich nicht, dass die nächsten fünf Jahre einen solchen Zuwachs an Themenreisen bringen würden. Aber Jahr für Jahr gab es neue Pläne, über die ich Euch auf dem Laufenden hielt und die ich hier noch einmal zusammenfassen möchte.
Im Jahr 2014 feierte Concept Sailing (Segeln mit einem historisch angelehnten Konzept) sein 25-jähriges Bestehen. In diesem Jahr segelte ich auf der “Selma” von den Tonga-Inseln nach Australien. Ziele dieses Törns waren einige Orte und Inseln, an denen Captain James Cook während seiner 3 berühmten Reisen durch den Pazifik, in dem man quasi zwangsläufig auf die Spuren des berühmten Seefahrers trifft, an Land ging. Das tatsächliche Concept Sailing bzw. Concept Reisen begann jedoch erst einige Meilen weiter westlich in Australien. Krystyna hatte ein detailliertes Reiseprogramm „Auf den Spuren von Strzelecki“ vorbereitet. Gemeinsam bestiegen wir den Berg Kościuszko und gemeinsam durchquerten wir Tasmanien, um die Orte, an denen sich Strzelecki aufhielt und wirkte, zu besuchen. Hier realisierte ich erstmals, dass er der erste Pole war, der die Erde umrundet hatte, und zwar nicht als Seemann, sondern als Reisewissenschaftler.
In 2015 nahm ich das Angebot, auf dem russischen Eisbrecher “50 Лет Победы” – (50 Jahre des Sieges) zum Nordpol zu fahren, an. Das bedeutete für mich, dass ich am 21. Juni 2015 gerade zur Sommersonnenwende am Nordpol war. Auch wenn diese Fahrt nicht eine Expedition im ursprünglichen Sinne des Wortes war, bedeutete sie doch ein beeindruckendes Erlebnis für mich.
Wie bereits erwähnt rief ich die Concept Sailing Reisen 1989 ins Leben. Der erste Segeltörn führte damals zu dem durch den Admirals Cup berühmt gewordenen Fastnet Rock.
Unmittelbar anschließend entwickelte sich die Idee einer „Odysseus-Reise.“ „Auf den Spuren des Odysseus“ segelten wir nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch rund um Großbritannien. Ja, es gibt tatsächlich auch diesen geographischen Interpretationsversuch seiner Reisen, aber nachdem wir diese Reiseroute geprüft hatten, wurde ich zum Gegner dieser Theorie.
Seit dieser Zeit segelte ich oft im Mittelmeerraum, aber trotzdem blieb für mich das Geheimnis um einige der ihm zugeschriebenen Destinationen offen. Erst 2015 hatte ich genügend Zeit, Odysseus vermeintliche Reisestrecke unter die Lupe zu nehmen. Ich begann einen Segeltörn mit meinen Freunden Karl und Anna Hundhammer und erkundete anschließend mit ihnen Sizilien und Kalabrien in einem Mietwagen. Nach einer weiteren Segelreise in demselben Jahr gelangte ich schließlich nach Troia, dem Ausgangsort der Odyssee.
Die Concept Sailing Aktivitäten in 2016 starteten schon im Februar mit der seit langem vorbereiteten und erwarteten Kajakexkursion in der Antarktis unter dem Titel “Belgica, die Wiege der Wissenschaftler und Entdecker.“ Inspiration für diese Exkursion war die Expedition “Belgica”, geführt von Adrien de Gerlache. Unter den Teilnehmern waren auch Roald Amundsen und die beiden Polen Henryk Arctowski und Antoni Dobrowolski. Belgica war das erste Schiff, das in der Antarktis überwinterte. Eine weitere Inspiration für unsere Kajakexkursion war die Entdeckung eines Kanals (jetzt Bremenkanal genannt) von Tomek Zadróżny, die 2003 im Melchior-Archipel stattfand.
Im Jahr 2017 startete endlich die lang geplante Überquerung des Pazifiks auf der Yacht Agens zusammen mit den Eignern Karl und Anna Hundhammer. Wir verließen Colon / Panama im März und fuhren durch den Panamakanal nach Galapagos. In der Osterwoche erreichten wir die Osterinseln und besuchten auf der Weiterfahrt natürlich Pitcairn und Tahiti. Für uns endete die Reise in Cairns an der Nord-Ostküste Australiens. Die Bootsbesitzer segelten alleine weiter und wir fuhren mit dem Auto zum “Nabel von Australien“, dem berühmten australischen Felsen, dem heiligen Uluru, und von da weiter nach Darwin. Das war eine autofahrerische Meisterleistung. Die Strecke betrug ungefähr 5100 km – über 400 km länger als die Entfernung Moskau – Lissabon. Wir hatten nur 10 Tage Zeit für diese Distanz, aber die Strapaze hatte sich gelohnt. Wir haben das Herz von Australien, das Outback, gesehen.
Für 2018 war ein großer Segeltörn geplant. Wieder war Strzelecki der Ideengeber für die Route. Für diese Reise sollte die Yacht Lady Dana ins Wasser gehen. Nach einigen Änderungen der Reisestrecke ergab sich, theoretisch zumindest, schließlich die erste Etappe von Valparaíso nach Hawaii über Juan Fernandez (Robinson Crusoe Insel), danach zu den Osterinseln, den Marquesas und Kiritimati (Christmas Island).
Leider erreichte die Yacht nicht Valparaiso, sondern fuhr mit einem defekten Motor nach Puerto Montt, also viel weiter südlich. Das führte zu einer entsprechenden Verspätung, die wir aber im weiteren Verlauf aufholen konnten. Auf den Marquesas-Inseln besuchten wir die Insel Fatu Hiva bekannt durch Thor Heyerdahl. Hier versuchten er und seine Frau Eve außerhalb der Zivilisation im Einklang mit der Natur zu leben, leider nicht ganz erfolgreich. Auf der erwähnten Insel entstand auch die Idee der „Kontiki“ – Expedition. Die Marquesas scheinen seit langem Menschen, die der Zivilisation entfliehen wollen, anzuziehen. Paul Gauguin beispielsweise ließ sich dort nieder schon lange vor Heyerdahl und auch Jacques Brel fand vor nicht allzu langer Vergangenheit Gefallen an den Inseln. In Hiva Oa besuchten wir abschließend die ihnen gewidmeten Gräber und Museen.
Die Wünsche dieser und zahlreicher anderer Menschen nach Abgeschiedenheit sind gut nachvollziehbar.
Die nächste Etappe führte nach Kiritimati, der Weihnachtsinsel. Captain Cook sichtete die Insel am 24. Dezember 1777 und verbrachte hier die Feiertage. In diesem Fall hat uns jedoch weniger der alte Captain Cook dazu inspiriert, diese Insel zu besuchen, sondern eher ein Dorf mit dem Namen Polen. Als wir das Dorf schließlich unangekündigt erreichten, wurden wir mit lauter Marschmusik überrascht. Zum Takt der Musik marschierten rot-weiß gekleidete Kinder. Ein unglaublicher Anblick. Der Überraschungseffekt war perfekt. Erst später erfuhren wir, dass dieses Schauspiel ein Training für die Feier des Unabhängigkeitstages war.
Am 12. Juli 1979 erlangte das Archipel Kiribati, zu dem die Insel Kiritimati gehört, die Unabhängigkeit vom UK. Das Dorf Poland erhielt aus Dankbarkeit der Bevölkerung seinen Namen, weil der vorbeifahrende polnische Matrose Stanisław Pełczyński den Dorfbewohnern maßgeblich bei der Bewässerung der Kokosplantagen geholfen hatte. Ebenfalls wurden zu seiner Ehre im Dorf auch eine Kirche nach Stanislaus von Krakau sowie eine Bucht benannt (Sankt-Stanislaus-Bucht).
Auf Kiritimati übernahm der Owner wieder sein Schiff und wir flogen nach Hawaii, um weiter Strzeleckis Spuren zu folgen.
2 Juni 2019 HW
Die Weltumrundung – Enrique.
Der Nikolaustag liegt bereits hinter uns. Das Jahr 2017 neigt sich langsam dem Ende entgegen. Es ist eine gute Zeit für ein Resümee, das ich in der Vergangenheit regelmäßig jedes Jahr gezogen habe. Es war in den Zeiten, als die Segelsaison in unserer Hemisphäre im Frühling begann und im Herbst endete. Jetzt gibt es keine solchen Einschränkungen mehr. Wir segeln auch in anderen Gewässern auf der südlichen Hemisphäre und die Saison geht eigentlich nie zu Ende. Daher muss die Zusammenfassung sich nicht auf das Kalenderjahr beschränken, sondern sie unterliegt anderen Kriterien, wie z.B. dem Abschluss eines Projekts.
So war das Jahr 2017 für mich insofern ein ganz Besonderes, da rein rechnerisch mir 2 Tage fehlten. Ich hatte weder den 31. Januar noch den 16. Juni erlebt. Wie ist das möglich? Die Leute vom Fach wissen, dass man während einer Reise um die Welt in Richtung Westen einen Tag verliert, und wenn man in Richtung Osten reist, „erlebt“ man 2-mal den gleichen Tag.
Unsere Zivilisation begegnete diesem Phänomen erstmals im Jahr 1522. Der Crew des Schiffes „Victoria“, den Teilnehmern der Magellan Expedition, wurde dies während der ersten Umrundung der Welt bewusst. Sie stellten während eines kurzen Besuches auf den Kapverdischen Inseln fest, dass irgendetwas mit dem Kalender nicht stimmte. Da Überleben aber Priorität hatte, befassten sie sich nicht weiter mit diesem Phänomen, sondern kamen erst nach ihrer Rückkehr in Spanien diesem „Rechenfehler“ auf die Spur. Auf die Magellan Expedition werde ich später noch zurückkommen.
Eine andere aus der Literatur bekannte Person, die mit dem Phänomen zu tun hatte, war Philieas Fogg, der Protagonist in Jules Vernes Roman “Reise um die Erde in 80 Tagen“. Der englische Gentleman reiste jedoch nach Osten und gewann einen zusätzlichen Tag. Er wusste dies aber nicht und hätte beinahe seine Wette verloren, wenn nicht sein wackerer Diener Passepartout ihn im letzten Augenblick rechtzeitig an den in der Wette vereinbarten Ort gebracht hätte.
In 2017 musste ich den Globus zweimal in Westrichtung umfahren. Beide Erdumrundungen waren Luft-Wasser-Reisen.
Die erste Reise begann in Europa. Ich flog nach Ushuaia in Südamerika. Hier schiffte ich mich auf der mv „Ortelius“ ein und startete die so genannte Semi-Circumnavigation, zu Deutsch Halbumrundung. Von Ushuaia ging es nach Süden in die Antarktis und dann nach Westen durch die Bellingshausen-See, die Amundsensee und das Rossmeer nach Neuseeland. Es war eine relativ lange Reise, aber auch die fast einzige Möglichkeit, diesen Teil der Welt und die historischen Artefakte, die dort von bekannten Polarexpeditionen zurückgelassen wurden, zu sehen. Wir waren in der Bucht der Wale, wo Amundsen seine Framheim-Basis baute – die berühmte „Fram“ brachte ihn hierher – und von wo er am 11.10.1911 startete, um den Südpol zu erreichen.
Wir besuchten ebenfalls Cape Evans auf Ross Island mit der Scott’s Base, von wo Scott seinerseits das Rennen zum Südpol startete. Scott kam jedoch nicht von der Expedition zurück, aber die Basis blieb, und drei Jahre später konnte die Ross Sea Group davon profitieren. Diese Gruppe war eine Hilfsexpedition der berühmten Shackleton-Expedition. Ich konnte das Kap Adare betreten, wo ein menschlicher Fuß im Januar 1895 den Kontinent der Antarktis zum ersten Mal berührte und Menschen 1899/1900 erstmals auf dem Kontinent überwinterten.
Von Neuseeland flog ich im Februar nach Hause in Richtung Westen und dadurch bekam ich den auf der Reise verlorenen 31. Januar nicht mehr zurück.
Nach ein paar Tagen in der Heimat, die ich hauptsächlich mit Umpacken und Organisation verbrachte, flog ich nach Südamerika, nach Manaus in Brasilien, um die fünfte Amazonasreise durchzuführen (s. Editorial). Nach Reiseende flog ich von dort weiter nach Panama.
Zusammen mit Krystyna ging ich an Bord der Yacht “Agens, “ was übersetzt so viel wie „treibende Kraft“ heißt. Sie gehört meinen Freunden Karl und Anna Hundhammer. Die Eigner waren auf einer Weltumrundung unterwegs und wir hatten uns entschlossen, die beiden bei der Pazifiküberquerung zu begleiten.
Nachdem wir den Panamakanal passiert hatten, besuchten wir die Galapagosinseln, die Osterinsel und schließlich Pitcairn. Schon die Namen der sagenumwobenen Inseln haben seit Jahren meine/unsere Fantasie angeregt, und jetzt durften wir unseren Fuß auf diese legendären Inseln setzen. Dies bedeutete für uns etwas wirklich Einzigartiges! Die Osterinsel weicht am weitesten nach Süden von der Standardroute durch den Pazifik ab. Von da aus segelten wir weiter nach Westen, gelegentlich mit einer Tendenz nach Norden in Richtung Äquator. Von Pitcairn aus ging es nach Mangareva im Gambier-Archipel, dann zu den Gesellschaftsinseln nach Tahiti und Bora Bora, weiter zur Aitutaki Insel, die zu den Cookinseln gehört und schließlich zu den Vavau Inseln im Tonga Archipel. Tonga war in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes für mich.
Erstens, als wir uns Vavau näherten, hatten wir theoretisch den 16. Juni, aber als wir ankamen, waren jegliche Zweifel bezüglich des Datums „Der wievielte ist eigentlich heute?“ ausgeräumt. Es war bereits der 17. Juni und Annas Geburtstag am 16ten fiel demnach aus. Das hinderte uns aber nicht am Feiern.
Hierzu soll eine kurze Erklärung erfolgen, woher überhaupt die Zweifel am richtigen Datum kommen. Theoretisch verläuft die Datumsgrenze auf dem 180° Meridian. In Wirklichkeit aber haben verschiedene Staaten unterschiedliche Zeitzonen für sich bestimmt und die Datumsgrenze verläuft wie eine Zickzacklinie. Sie reicht sogar im Extremfall ostwärts bis 150° W. Genau deswegen feiern die Menschen das Neue Jahr zuerst auf der Weihnachtsinsel Kiritimati im Kiribati Archipel, obwohl zur Datumsgrenze noch 30°, d.h., 2 Stunden fehlen. Durch Vavau verläuft der 174° W, also fehlen noch 6°, dies entspricht 24 Zeitminuten.
Zweitens, hier endete meine zweite Umrundung oder vielmehr endete hier eine Reihe von Segeltörns, aus denen meine Weltumrundungen bestehen. (Meine erste Umrundung war rund um den Nordpol, also die Nordwest-Passage, die Nordost-Passage und der Streckenabschnitt dazwischen).
Es besteht eine gewisse Analogie, zu der berühmten von Magellan im 16. Jahrhundert organisierten Expedition.
Wenn man ganz allgemein fragt: „Wer war der erste Weltumsegler“? ist die Antwort in der Regel: Ferdinand Magellan. Das entspricht aber nicht ganz der Wahrheit. Er hat zwar die Expedition rund um die Welt organisiert, hat sie aber nicht abgeschlossen, weil er unglücklicherweise auf der Insel Mactan auf den Philippinen getötet wurde.
Diejenigen, die die Geschichte besser kennen, wissen, dass von den 5 Schiffen, die Sevilla verlassen hatten, nur „Victoria“ unter der Führung von Juan Sebastian Elcano am 6. September 1522 nach Spanien zurückkehrte. Captain Elcano sollte also der erste sein, der die Welt vollständig umsegelte. Die übrigen 17 Besatzungsmitglieder werden in der Darstellung der Historie natürlich nicht erwähnt.
Es gab jedoch einen weiteren Menschen, der der Besatzung der „Victoria“ zuvorkam;
Magellan diente früher in der portugiesischen Flotte. Auf einer der portugiesischen Expeditionen erreichte er in 1509 Malacca. Dort kaufte er einen Sklaven, der später getauft wurde und den wohlklingenden Namen Enrique (Henryk) erhielt. Seit dieser Zeit begleitete Enrique seinen Herrn überall hin, segelte mit ihm nach Portugal, war mit ihm in Afrika, emigrierte mit Magellan nach Spanien und logischerweise begleitete er ihn auf seiner berühmten Expedition. Enrique stammte höchstwahrscheinlich von den Philippinen und wurde durch Sklavenhändler aus Sumatra entführt. Als die Armada am 16. März 1521 die philippinische Insel Homonhon erreichte, konnte er in seiner eigenen Sprache mit der lokalen Bevölkerung kommunizieren und als Dolmetscher dienen.
Am 7. April ankerte die Armada vor der Insel Cebu, wo sich Magellan hingebungsvoll der Bekehrung der Bewohner zum Christentum widmete. Auf der Nachbarinsel Mactan regierte Lapu Lapu, der jedoch den Glauben seiner Vorfahren nicht aufgeben wollte. Magellan beschloss, die widerspenstigen Bewohner der Insel zu einer Glaubenssänderung zu zwingen. Er starb in einer sinnlosen Schlacht am 27. April 1521. In seinem letzten Willen stand geschrieben, dass sein Sklave und Diener Enrique nach seinem Tode ein freier Mensch sein sollte. Außerdem vermachte Magellan ihm testamentarisch Geld.
Der neue Kommandant Barbosa wollte diesen letzten Willen nicht respektieren …
Enrique entkam auf Cebu.
12 Jahre nachdem Magellan Enrique gekauft hatte, kehrte dieser in seine Heimat zurück. Mit großer Wahrscheinlichkeit können wir sagen, dass er der erste Weltumsegler war.
Das ist ein weiteres Beispiel, wie ein Diener oder Sklave seinem Herrn „zuvorgekommen“ ist.
Als wir am 17. Juni 2017 in Vavau anlegten, war für mich auch in gewisser Hinsicht der „Welt“-Kreis geschlossen.
Zuvor, im Jahr 2015, segelte ich auf der „Selma“ von Tonga nach Brisbane in Australien. Unterwegs besuchten wir Neukaledonien und exakt dort habe ich einen Törn auf der „Nashachata“ in 2009 beendet. Die Reise fing damals im Oktober 2008 in Buenos Aires an. Von da aus segelten wir nach Süden, dann nach Westen durch die Magellan Straße und weiter um Kap Horn nach Ushuaia. Hier wechselte ich von der bequemen Yacht auf die „Fuegia“, ein Nachbau eines Walfangbootes, um die Expedition „Darwin & Tierra del Fuego“ durchzuführen. Wieder zurück auf der „Nashachata“ ging es von Ushuaia über die Falkland-Inseln, Südgeorgien, Kapstadt, Crozet-Inseln, Amsterdam Island, die übrigens von der „Victoria“ während der Magellan Expedition entdeckt wurde, nach Melbourne und Neukaledonien. Wenn man meine drei Reisen zusammenfügt und durch andere meiner Seereisen vervollständigt, ist meine Weltumrundung mehr oder weniger komplett.
Zurück zur „Agens“
Von Tonga aus segelten wir nach Fidschi und von dort ohne weitere Anlandungen nach Cairns in Australien, eine ziemlich lange Etappe. In Cooktown verließen wir das Schiff, weil es nicht sicher war, ob wir Darwin, von wo der Rückflug startete, rechtzeitig mit dem Schiff erreichen würden. Wir nahmen den Bus zurück nach Cairns, wo wir ein Auto mieteten, um in Darwin auf jeden Fall pünktlich anzukommen.
Aber es gibt keine direkte Straße von Cairns nach Darwin. Der Weg führt nach Westen bis ins Outback, um danach nach Norden in Richtung Darwin abzubiegen. Das Zentrum Australiens und die Stadt Alice Springs zu bereisen, ohne den berühmten einsamen Berg Uluru in der endlosen Wüste gesehen zu haben, wäre ein Fehler. Erst mit der Fahrt zum Uluru wird die Reise nach Australien zu einem wahren Erlebnis. Der Name Uluru bedeutet in der Sprache der Aborigines “Treffpunkt”, was der Berg und seine Umgebung für die Ureinwohner tatsächlich war und noch ist.
Ich war dieser geographischen Namensgebung schon einmal begegnet. Es war in Tiksi, einem Ort an der Lenamündung in der Nordost-Passage. In der Sprache der Jakuten bedeutet Tiksi ebenfalls Treffpunkt.
Während meiner langen Stunden durch das rote Zentrum auf dem Weg nach Darwin dachte ich am Lenkrad über das Leben der Aborigines nach. Sie sind für mich ein weiteres Beispiel für die außerordentliche Fähigkeit der menschlichen Anpassung an extreme Lebensbedingungen.
Die Inuit konnten sich an das Klima in Grönland, wo die Temperatur – 40 ° C erreichen kann, anpassen. Sie lernten, Kleidung anzufertigen, die sie vor der Kälte wirkungsvoll schützte.
Die Feuerland Indianer dagegen, passten sich an das raue, feuchte und windige Klima mit Temperaturen um 0° C so an, dass sie quasi nackt lebten.
Auch die Aborigines trugen keine Kleidung. Sie mussten sich an die bis zu 40 Grad variierenden Temperaturunterschiede (nachts ca. 0 Grad bis + 40° C am Tag) anpassen.
Nach 5100 km erreichten wir Darwin und waren nur geringfügig schneller als die Eigner der „Agens“. Theoretisch hätten wir auf der Yacht bleiben und das Flugzeug auch pünktlich erreichen können. Wir haben aber unsere Entscheidung, nach Uluru zu fahren, nicht bereut. Man könnte sagen durch Zufall hat die Reise einen Aspekt erhalten, durch den man sie zu Recht der Reihe meiner Concept Sailing Reisen zuordnen kann.
Amazonas, das klingt ziemlich exotisch.
Amazonas, das klingt ziemlich exotisch. Als ich die erste Reise organisierte, habe ich niemals vermutet, dass es so viele werden. Bis jetzt, 2017, haben wir schon 6 Schiffsreisen veranstaltet. Manche alte Mitsegler haben sich ein bisschen gewundert, warum ich – Segler, Flussreisen organisiere. Stimmt, Amazonas ist kein Ozean, es ist ein Fluss, aber was für ein Fluss! Sogar die Segler singen Shanties darüber, er ist fest als Reiseziel in Gedanken verankert. Große Schiffe können
2000 Km von der Flussmündung bis nach Iquitos in Peru fahren. Segler habe ich nicht so weit gesehen, aber bis zum Alter do Chao (ca.300 Km Flussaufwärts) schon. Logischerweise könnten sie auch bis nach Iquitos fahren, unter Maschine natürlich. Aber der Aufwand wird sich nicht lohnen; es ist eher schwachwindig, man braucht Ortskenntnisse und es gibt kaum Häfen, wo eine Yacht anlegen könnte. Für mich eine „Concept – Lösung“ war, den Amazonas mit einem einheimischen Schiff, das extra für solche Fahrten gebaut worden ist, mit einer erfahrenen Mannschaft zu erkunden. Wie schon erwähnt, die großen Schiffe können bis nach Peru fahren. Das habe ich auch gemacht, aber jetzt habe ich eingesehen, dass es nicht um die Strecke, sondern um die Art und Weise des Erkundens geht. Für meine Reisen chartere ich Schiffe für ca. 22 Passagiere. Aber nicht das Schiff allein macht die Reise aus. Das machen vor allem die Ausflüge mit den kleinen langen Booten, die zu den Menschensiedlungen führen, die Tiere beobachten lassen oder bei Hochwasser zwischen den Baumkronen schlendern erlauben. Über die Jahre hinweg haben wir verschiedene Routen ausprobiert. Die Reise von März 2017 hat uns besonders gut gefallen. Gestartet sind wir, wie gewöhnlich, in Manaus. Blieben aber nicht lange auf dem Hauptstrom – Rio Solimoes (Der Fluss wechselt bei Manaus den Namen von Rio Solimoes nach Rio Amazonas), sondern fuhren in den eher „wilden“ Rio Negro. Auf diese Weise gelangten wir zu dem linken Zufluss Rio Araca und hier überquerten wir den Äquator. Die Frage, ob der Herrscher Neptun auch auf Binnengewässer kommt und die Neophyten tauft, haben wir auch geklärt. Zum ersten Mal habe ich mich entschieden, nicht mit dem Schiff zurück nach Manaus zu fahren, sondern aus Barcelos zurückzufliegen. Das gab uns die Möglichkeit, das Flussgebiet noch mal von oben zu sehen.
Manche Teilnehmer waren schon zum zweiten Mal im Amazonas und jedes Mal war es anders. Es sind die Pegelunterschiede zwischen Hochwasserzeit und Niedrigwasser, die es so interessant machen. Es kommt bis zu 15 Meter Differenz. Bei Hochwasser fahren wir zwischen den Baumkronen, bei Niedrigwasser stoßen wir auf unzählige Sandbänke, wo man spontan stoppen kann, um ein erfrischendes Bad zu nehmen. Das überflutete Gebiet ist so groß wie Großbritannien.
Amazonas ist immer noch in vielen Fällen ein Rätsel. Lange stritt man sich, wo die wahren Quellen des Flusses sind? Laut einer Theorie heißt die ein bisschen trotzige Antwort: in jetziges Afrika. Wie denn das? Also, als Südamerika noch zusammen mit Afrika einen Riesenkontinent Gondwana bildete, floss das Wasser in umgekehrte Richtung und der Ursprung des Urstroms war im jetzigen Afrika. Dann trennten sich die Landmassen. Auf der Westseite Südamerikas entstanden die Anden und das neue Wasser aus einer anderen Quelle nutzte das alte Flussbett. Ein alter Freund von mir, Sepp Friedhuber, erforschte vor Jahren die afrikanischen Quellen des Urstroms. Aus der Expedition ist ein interessanter Film „Uramazonas“ entstanden.
So viel von der Theorie.
Einige Auszüge aus unseren Reisetagebüchern:
Um 6 Uhr früh weckt uns die Arie aus der Oper Traviata – das ist schon Tradition auf den Schiffen der Reederei, so geweckt zu werden. Normalerweise hat kaum jemand Lust, um die Zeit aufzustehen, aber es ist jetzt angenehm warm, nicht so erbärmlich heiß, wie zur Mittagszeit.
Auf uns wartet schon Kaffee, heißes Wasser für Tee, Milch und ein kleiner Imbiss.
Um 06:30 sind wir in den Booten. Es ist März, Hochwasserzeit, gerade jetzt 7 Meter über Null. Wir fahren zwischen den Baumkronen. Einer aus der Crew hat eine Schlange ausgespäht. Wir landen auf dem nahen Ufer. Es ist einer 2 Meter lange Boa. Wir können ganz nahe kommen und sie fotografieren. Mo, der Eigner, Guide und studierter Biologe in Person fragt, ob jemand sie in die Hand nehmen will. Ja, es sind welche. Mo zieht sein Hemd aus und wirft es der Schlange auch den Kopf. Dann greift er sie geschickt auf den Nacken – wenn Schlangen überhaupt Nacken haben, auf jeden Fall hinter dem Kopf. Die „Tapferen“ nehmen sie in die Hand, die weniger Tapferen berühren sie mit dem Finger. Sie hat keinen glitschigen Körper, wie man es denken könnte. Wir wollen sie nicht allzu lange stressen und lassen sie frei. Die bewussten Touristen wissen schon, dass man in die Natur nicht allzu sehr eingreifen soll. Das ist die Erfahrung aus den Polargebieten. Hier in Amazonas ist alles üppig. Die Schlange ist schon frei. Sie wird noch ihren Enkelkindern erzählen, was für ein Spuk sie erlebt hat.
Um 08:30 sind wir zurück auf dem Schiff. Jetzt ist die Zeit für ein richtiges Frühstück.
2 Stunden später ein neuer Ausflug, dieses Mal zu den Flussdelfinen. In der Manaus Gegend gibt es
5 Stellen, wo die Delfine mit dem Mensch vertraut sind. Es hat damit angefangen, dass ein Mädchen aus Novo Airau in den 90-ger Jahren des vorigen Jahrhunderts, einen geangelten Fisch einem Delfin gegeben hat. Mit der Zeit kam es zu größerer Vertrautheit, der Delfin ließ sich füttern und das Mädchen konnte mit ihm schwimmen und ihn streicheln. Aus der Privaterfahrung des Mädchens ist mit der Zeit eine Art von Delfinarium entstanden. Erst in Novo Airau später in der Nachbarschaft.
Die Flussdelfine haben sich schon seit Jahren einen Platz in der Geschichte und den Glauben (vielleicht Aberglauben) der Flussmenschen, gesichert. Die Einheimischen nennen sie Boto und sie haben sie nie gejagt. Wenn ein unverheiratetes Mädchen unerwarteterweise schwanger war, dann war das der Boto, der in der Nacht in Gestalt eines Menschen das Mädchen besucht hat. Aus der kurzfristigen Begegnung sind Kinder zu Welt gekommen. Sie haben oft blonde Haare und blaue Augen. Die Delfine haben eine hellrosa Hautfarbe. Natürlich haben auch die Missionare oft eine helle Hautfarbe gehabt, aber das ist eher Zufall, wer kann das schon genau wissen. Tatsache ist, dass die Tradition es nicht erlaubte, die Delfine zu töten, es könnte doch der Vater oder Onkel gewesen sein.
Am Abend, schon nach dem Abendessen, steigen wir erneut in die Boote. Dieses Mal sind die Boote mit starken Suchscheinwerfern ausgestattet. Wir fahren auf Kaiman Suche. Die Methode ist relativ einfach. Mit dem Scheinwerfer beleuchtet man die Küstenlinie auf der Wasserhöhe. Wenn zwei rote, nebeneinander gelegene Punkte reflektieren, sind das sehr wahrscheinlich die Augen des Kaimans. Jetzt muss man sich ruhig dem Ort nähern. Der Mann am Ruder kommuniziert wortlos mit dem Mann auf dem Ausguck. Dann ein geschickter Griff und der 80 cm lange Kaiman ist am Nacken gepackt. Man muss nur den Abstand zwischen den Augen gut abschätzen, bei zu großem ist es ratsam, gar nicht zu probieren.
Am einem anderen Tag:
Traviata schon um 4 Uhr früh. Es ist wirklich außergewöhnlich früh und noch ganz dunkel, aber es ist die Möglichkeit, noch vor dem Sonnenaufgang, die Brüllaffen zu hören. Es ist sehr schwer, das Brüllen mit Worten zu beschreiben, so etwas wie ein rollender Donner, unvergesslich. Nach der Veranstaltung landen wir in dem Dorf der Schildkrötenjäger.
Im Allgemeinen ist die Schildkrötenjagd in Brasilien untersagt, aber wenn es nur für den Eigennutz betrieben wird, drückt man die Augen zu. Im Übrigen wäre es sehr schwer, in dem Riesengebiet die „Verbrecher“ in flagranti zu ertappen. Die Jagd findet während der Migration der Schildkröten statt. Die Schützen schießen mit Bögen auf die vorbei schwimmenden Schildkröten, aber nicht direkt auf sie, sondern nach oben, so dass der Pfeil, der sich auf der ballistischen Kurve bewegt, am Ende quasi senkrecht in den Schild der Schildkröte trifft, – wenn er trifft. Die Pfeilspitze bohrt sich durch den Schild, ohne die Schildkröte zu verletzen. Der Pfeil ist so konstruiert, dass die Pfeilspitze sich jetzt von dem Schaft trennt, bleibt aber mit ihm mit der Kordel verbunden. Jetzt steigen die Jäger in die Boote und holen sich die Beute. Um die Missverständnisse zu vermeiden, hat jeder Jäger seine Pfeile speziell markiert. Die Schildkröten werden jetzt als lebendiger Proviant nach Hause gebracht.
Als wir das Dorf besucht haben, hatte die befreundete Familie gerade 7 Schildkröten auf Vorrat. Piotr hat sie alle sieben gekauft, – offiziell für die Suppe. Seine Tochter Oliwia, hatte gerade den 20-sten Geburtstag. Als wir zurück zum Schiff kamen, wartete die Geburtstagstorte schon auf Oliwia. Also sangen alle gemeinsam Happy birth day und jetzt kam die Überraschung; Oliwia, die Tierverhalten studiert, durfte alle Schildkröten nacheinander in das Wasser frei lassen.
Noch bevor wir das Dorf verlassen haben, hatten wir die Gelegenheit, die Maniokproduktion zu beobachten. Maniok gehört zu den Grundnahrungsmitteln der Bewohner, beinhaltet viel Stärke und ist die Hauptquelle der Kohlehydrate. Es gibt 2 Arten von Maniok; weißer – süß und gelber – bitter. Der zweite braucht eine ganz komplizierte Behandlung, um die giftige Komponente zu entfernen. Erst muss man die Knollen 3 Tage lang in Wasser einweichen. Dann zerhacken und auspressen. Flüssigkeit abstellen. Auf dem Boden des Gefäßes setzt sich ein feines Mehl – Tapioka aus. Die übrig gebliebene Flüssigkeit kocht man so lange, bis sich das Volumen um die Hälfte verkleinert. Das Ergebnis ist ein vielseitig benutztes Gewürz. Die zerhackten Knollen, die schon ausgepresst sind, werden noch feiner zerkleinert, dann geröstet und granuliert. So entsteht deines der wichtigsten Nahrungsmittel in dieser Region.
Der nächste Tag – Piranhas Angeln. Ich habe beobachtet, dass viele Teilnehmer die Aktivität reserviert betrachten… so lange, bis der erste Fisch gebissen hat, dann setzt der menschliche Instinkt des Jägers ein. Die gesamte Beute wird dann sauber gemacht und die Kiefer extra als Andenken präpariert. Das große Grillen am Abend – wahrhaftig ein Schmaus.
Ein anderer Tag: Ein Ausflug zu Caboclos Dorf. Caboclos sind Leute gemischter Herkunft, indianisch und europäisch. Der Name bezieht sich nicht nur auf die Herkunft, aber auch auf den Lebensstiel. Würdet Ihr Euch entscheiden, mit den Menschen zusammen zu leben, dann würden vielleicht auch Eure Kinder Caboclos genannt. Sie würden an dem Ufer des Flusses in auf Stelzen gebauten Hütten wohnen und ähnlich wie die Nachbarn teilweise von kleiner Landwirtschaft und teilweise von der Fischerei leben. Man kann sich vorstellen, dass sie in 20 Jahren ein bisschen dunklere Haut haben, Maniok rösten und Netze stellen.
Mo zeigt und erklärt bestimmte Bäume und andere Pflanzen. Deutet auf den Gummibaum, erzählt über die Geschichte, Gewinnung des Gummis und deren ökonomische Bedeutung für Brasilien in der Vergangenheit.
Es folgt eine weitere Exkursion zu dem Schwimmenden Wald, gebildet von Montriharida arborescense. Die Boote passen kaum in die Schneisen, die die Einheimischen für die Kommunikation in dem Wald, gemacht haben. Die Kanäle sind sehr eng und bei dem Gegenverkehr muss man oft in eine Weiche warten. Wenn man nach hinten schaut, sieht man, wie sich die Bäume unter dem Einfluss der vorbei gefahrenen Boote verbeugen. Es sieht so aus, als ob sie den Weg zurück schließen würden. Wir erreichen einen See. Hier wachsen Seerosen, die berühmten Victoria Amazonica. Mo erzählt über eine Besonderheit der Bestäubung – der bestäubende Käfer wird in dem Blumenkelch eingeschlossen. Nach der Bestäubung der Blume wechselt die Farbe von Weiß auf Rot. Die Blätter sind so groß, dass man ein Kind darauflegen kann.
Nach einigen Tagen verlassen wir Rio Negro und biegen recht rein in Rio Araca. Es wird flacher. Wir verlassen das Schiff und steigen in die langen Boote um. Auf diese Weise, die Augen starren in die GPS-Displays, erreichen wir den Äquator. Auf dem Ufer pflanzen wir ein Totem mit eingeschnitzter Zahl 0 und zahlreichen Mundabdrücken der Teilnehmer (vorher knallrot geschminkt). Champagner darf nicht fehlen und natürlich ein gemeinsames Foto. Nach Belieben kann man jetzt im Wasser schwimmen und mehrere Äquatorüberquerungen machen. Wir zeichnen eine Linie, die die nördliche- von der südlichen Hemisphäre abgrenzt. Darauf ein Schachbrett. Piotr, der Vater von Oliwia, spielt mit Mo um die Welt. Am Ende darf jeder seine Hemisphäre für sich behalten. Nach 2 Stunden Aufenthalt besteigen wir die Boote und fahren zum Schiff. Wir treten die Rückreise an. STOP! Am Ufer wartet Neptun mit seiner göttlichen Gemahlin Proserpina. Die Neophyten unterziehen sich der Taufzeremonie. Danach prosten sie dem göttlichen Ehepaar mit dem speziell dafür vorbereiteten „Nektar“ zu. Der Organisator händigt Diplome aus, die die Teilnahme an der Taufe bestätigen. Auch wenn Nektar ein göttliches Getränk ist, jeder will es mit dem Getränk der Sterblichen – Caipirinha nachspülen.
Caipirinha ist ein Nationalgetränk, das man aus brasilianischem Schnaps aus dem Zuckerrohr – Cachaça, braunen Zucker, ebenfalls aus dem Zuckerrohr, Limetten und Eiswürfel besteht. Es versteht sich alles in entsprechenden Proportionen. Jetzt erreichen wir ohne Hindernisse Barcelos. Von dort fliegen wir mit gecharterten Cessnas nach Manaus zurück.
HW – Panama März 2017
Paweł Edmund Strzelecki
Die Anregung zu meinen für 2018 geplanten Reisen kam von dem polnischen Forscher Paul Edmund Strzelecki – kaum ein Deutscher schafft es, diesen Namen korrekt auszusprechen. Er war der erste Pole, der den höchsten Berg Australiens bestieg und ihm den Namen Mt. Kościuszko gab. Außerdem war er der erste Pole, der eine Weltumrundung zu Wasser auf wissenschaftlicher Basis unternahm. Bereits zweimal schon habe ich von Strzelecki inspirierte Reisen organisiert und diesmal wollen wir seine Reise über den Pazifik nachsegeln.
Am 20. Juli 1838 stach er von Valparaiso aus auf dem Deck der HMS „Fly“ in See und erreichte Taiohae Bay auf der Insel Nuku Hiwa im Marqueses Archipel. Hier standen während seines Aufenthaltes ethnologische Forschungen im Fokus.
Am 23. August segelte er weiter nach Hawaii. Dort regierte zu dieser Zeit noch ein unabhängiger König aus der Kamehameha Dynastie. Im September 1838 legte er dann auf der Insel Hawaii in der Kealakekua Bay an und zwar an genau derselben Stelle, an der Kapitän James Cook am 14. Februar 1779 umgekommen war. Während des mehrwöchigen Aufenthalts auf der Hauptinsel erforschte der Wissenschaftler die Vulkane Mauna Kea, Mauna Loa und Kilauea. Die Ergebnisse seiner Arbeit publizierte er in „The Hawaiian Spectator” (Sandwich Island – Crater of Kilauea) und später in „Tasmanian Journal of Natural Sciences” (The Volcano of Kilauea, Sandwich Islands). Auf der gleichen Insel besuchte er außerdem den Hafen von Hilo, und auf der Insel Oahu das Städtchen Honolulu.
Am 1. Oktober 1838 verließ die Crew Hawaii und segelte nach Tahiti, wo sie Anfang November ankam. 1838 war eines der letzten Jahre der Unabhängigkeit der Insel. Hier war er zu Gast bei der Königin Pomare IV. Er war schockiert vom „Recht des Stärkeren“, das dort noch im Pazifik herrschte und entwarf einen Reformplan mit dem Ziel eines gerechteren Rechtswesens.
Im Januar 1839 segelte er auf der französischen Bark „Justine“ erst nach Osten und besuchte die Insel Mangareva im Gambier Archipel sowie die Insel Tuamotu. Anschließend kehrten sie um in Richtung Westen. Auf dem Weg nach Neuseeland besuchte er Tonga.
Im Februar 1839 lief Strzelecki in Kororareka – jetzt Russell – in der Bay of Islands auf der Nordinsel von Neuseeland ein.
Seinen dreimonatigen Aufenthalt in Neuseeland widmete er geologischen Untersuchungen, den ersten die auf dieser Insel durchgeführt wurden, und machte Bekanntschaft mit den Maoris, den Ureinwohnern Neuseelands. Er besuchte u.a. folgende Orte: Waitangi, Hokianga, Kerikeri
Am 10. April 1839 setzte er seine Reise fort und segelte nach Port Jackson, das heutige Sydney https://de.wikipedia.org/wiki/Sydney, wo sie am 25. April 1839 ankamen. In Australien, damals New Holland, verbrachte er die wichtigsten 4 Jahre seiner neunjährigen Reise. Während dieser Zeit erforschte er New South Wales und Tasmanien. Der Gouverneur von Tasmanien John Franklin, bekannt aus der späteren Nordwest Passage Expedition, war sein Freund und Mäzen.
Am 24. April 1843 kehrte er nach Europa zurück und betrat im November dieses Jahres das englische Festland im Londoner Hafen.
Resümee:
Die Erkundung von Nord- und Süd Amerika hat 4 Jahre gedauert.
Die Reise über den Pazifik von Valparaíso bis nach Sydney fast 1 Jahr.
Die Erkundung Australiens und Tasmaniens weitere 4 Jahre
Die Rückkehr von Sydney nach London ½ Jahr
Für Strzelecki war wichtig, dass er die Reise mit seiner Forschungsarbeit selbst finanzierte. In einem Brief betonte er: „Ich reise nicht auf Kosten irgendeines Staates, sondern finanziere mich über meine Funde und wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche ich an europäische Laboratorien verkaufe“.
1845 publizierte Strzelecki in London sein denkwürdiges Werk: „The Physical Description of New South Wales and Van Diemen’s Land”. Im Dankesbrief für das ihm zugesandte Exemplar schrieb Darwin: „Ich möchte Ihnen zum Ergebnis Ihrer sicherlich sehr langwierigen und schweren Arbeit gratulieren. Ich bin von der thematischen Vielfalt, mit der sie sich auseinander gesetzt haben höchst beeindruckt. Es stimmte mich sehr traurig, dass nur so wenige Auszüge aus dem Reisetagebuch in ihr Werk integriert worden sind. Und hoffe auf Ihre vollständige Veröffentlichung in naher Zukunft. Ich würde mir aus tiefstem Herzen wünschen, dass auch nur ein Viertel unserer englischen Autoren sich einer so lebendigen und unkomplizierten Sprache bedienen würde, wie Sie es tun“.
Strzeleckis Werk erreichte Weltruhm und er erhielt in 1845 den goldenen“ Royal Geographical Society“ Orden dafür. Diese 500 von Strzelecki verfassten Seiten bekamen sowohl in England als auch in Australien sehr positive Kritiken. Und für sehr lange Zeit stellten sie das Standard / Grundlagen Werk über Australien dar.
1846 bekam er die Gold Medaille von der Royal Geographical Society.
1860 erhielt er den Ehrendoktortitel der Oxford Universität, verliehen.
1896 erhielt den Orden vom Heiligen Michael und Georg, für „die 5-jährige Erforschung Australiens, die Entdeckung von Gold und neuer kolonisierbarer Territorien, so wie schlussendlich für die Herstellung topografischer und geografischer auf astronomischen Beobachtungen gestützter Karten“.
Eine Bergkette im Süden von Australien im Bundesstaat Victoria wurde nach ihm benannt sowie zwei Berge, ein See und ein Fluss. Aber auch in der Flora und in der Fauna ist sein Name immer wieder zu finden.
Im Jahre 2018, genau 180 Jahre nach Strzeleckis großer Reise über den Pazifik, planen wir einen Segeltörn in mehreren Etappen auf den Spuren dieses großen Forschers und ersten Polen, dessen Weltumrundung erfolgreich war. Da Strzelecki zur Erkenntnisgewinnung in der Forschung durch das weitere Entdecken unserer Welt gemacht hat, werden auch wir das als wichtigen Aspekt in unserer Reise einbeziehen. Dr. Habil. Zbigniew Zwolinski, Professor an der polnischen UAM (Adam Mickiewicz Universität) wird ein Forschungsprogramm vorbereiten, welches in Australien durchgeführt werden soll. Leszek Kosek, Teilenehmer an der Expedition auf der Yacht s/y „Konstanty Maciejewicz” im Jahre 1972/73, jetzt australischer Staatsbürger, möchte eine Reise ins Landesinnere auf einem typischen von australischen Siedlern genutzten Pferdekarren organisieren, um Teile von Strzeleckis Inland Route erforschen zu können.
Links:
http://www.poles.org/strzelecki.html
http://adb.anu.edu.au/biography/strzelecki-sir-paul-edmund-de-2711
http://www.strzelecki.org/pestrzelecki/pestrzelecki.php
https://en.wikipedia.org/wiki/Pawe%C5%82_Strzelecki
https://en.wikipedia.org/wiki/Order_of_the_British_Empire
http://www.angelfire.com/scifi2/rsolecki/pawel_strzelecki.html
http://www.polishmuseumarchives.org.au/PaulEdmunddeStrzelecki.pdf
http://www.midley.co.uk/articles/justine.htm
http://anzora.org/
http://www.zrobtosam.com/PulsPol/Puls3/index.php?sekcja=47&arty_id=14291
http://www.zrobtosam.com/PulsPol/Puls3/index.php?sekcja=47&arty_id=14301
http://www.australiangeographic.com.au/blogs/on-this-day/2015/03/on-this-day-mt-kosciuszko-first-climbed
www.kosciuszkoheritage.com/200/
„Belgica“, Wiege der Wissenschaftler und Entdecker
Vor Jahren war es für mich einfacher, einen „Bericht über die vergangene Saison“ zu schreiben – es war im Sommer – in unserem Sommer, das heißt, im Sommer der nördlichen Hemisphäre. Jetzt weiß ich nicht mehr, wann die Saison beginnt und wann sie endet? … Tatsächlich geht sie die ganze Zeit weiter. In der Zwischenzeit habe ich das jährliche Schreiben aufgegeben. Meistens war es wegen des Unterwegsseins nicht möglich. Auch habe ich nicht immer meine eigenen Expeditionen organisiert, und ich habe nicht immer über Expeditionen geschrieben, die nicht von mir organisiert wurden. Es gab aber auch Ausnahmen. Im Jahr 2015 erreichte ich den Nordpol auf einem russischen Eisbrecher, was mich dazu veranlasste, über die Geschichte der Erreichung des Nordpols zu schreiben.
2015 war generell ein sehr interessantes Jahr. Neben dem Pol konnte ich auch die Reisen des Odysseus nacherleben und schließlich Troja erreichen – den Grund für seine „Odyssee“. An diesem Punkt kann man natürlich anfangen zu diskutieren, was der Hauptgrund war, war es Helena oder Paris, oder vielleicht Menelaos oder sein Bruder Agamemnon? Es würde lange dauern, die Ausgrabungen hier zu zerbröseln. Man sagt, wenn man nicht weiß, worum es geht, geht es in der Regel entweder um Geld oder um Frauen. Mir scheint, im Fall des Trojanischen Krieges, der zur Odyssee führte, ging es um beides. Aber dazu später mehr“.
Im Februar 2016 wurde endlich eine lange vorbereitete Antarktis-Kanutour mit dem etwas langatmigen Titel „Belgica, die Wiege der Entdecker und Wissenschaftler – von A bis Z“ organisiert.
Über den historischen Hintergrund dieser Expedition habe ich an anderer Stelle geschrieben. Jetzt kann ich versuchen, die Frage zu beantworten, warum das alles, haben wir überhaupt wissenschaftliche Forschung betrieben? Warum? – Weil es uns reizte. Wissenschaftliche Forschung? – Definitiv nicht…, obwohl ich ein bestimmtes Ziel hatte, nämlich den Aspekt der Popularisierung. Ich fürchte, dass mehr Polen wissen, wer Ernest Henry Shackleton war (ich selbst habe an einer Expedition auf seinen Spuren in einem nachgebauten James-Caird-Rettungsboot teilgenommen) als Henryk Arctowski. Und wenn man nach Antoni Dobrowolski fragt, ist die Antwort meist Schweigen. Und doch waren sie die ersten Polen in der Antarktis. Sie nahmen an einer Expedition mit der Belgica teil, dem ersten Schiff, das im antarktischen Eis überwinterte! Dobrowolski schrieb eine Monographie über das Eis – „The Natural History of Ice“ – ein Klassiker, der auch heute noch aktuell ist. Die Gräber der beiden Professoren befinden sich auf dem Powązki-Friedhof in Warschau.
Natürlich wollten wir zwischen Eisbergen hindurchpaddeln, in Zelten im Schnee schlafen und alles vom Kajak aus, sehen. Wir wollten nicht die Antarktis an sich sehen, denn alle Teilnehmer waren schon viele Male dort gewesen, aber die Kajakebene ist eine ganz besondere Ebene des Sehens. Auf der Kajakseite haben wir uns vorbereitet, indem wir im Herbst im Oktober in den norwegischen Fjorden und im Februar auf einem teilweise eisbedeckten See bei Potsdam trainiert haben. Auch die ganze Logistik war kein Zuckerschlecken. Man braucht für solche Aktivitäten die Genehmigung der zuständigen Institutionen, und diese wiederum benötigen einen Evakuierungsplan für den Fall der Fälle. Die Vorbereitungen haben gut zwei Jahre gedauert. Wir waren auf der Suche nach einer unterstützenden Jacht. Wir hatten weitreichende Gespräche mit Selma, aber organisatorische Schwierigkeiten standen im Weg. Zu Hilfe kam uns Arved Fuchs mit seiner „Dagmar Aaen“, der Yacht, mit der ich 1993 die Nordwestpassage und 2002 die Nordostpassage gesegelt bin. Natürlich war es etwas schade, dass es sich nicht um eine Yacht unter polnischer Flagge handelte, aber unsere Expedition war, wie die ‘Belgica’-Expedition, international.
Auf unserem „polnischen“ Kajak (Tomasz Zadróżny, Henryk Wolski) wehte eine kleine polnische Flagge mit einem noch kleineren Logo von Concept Sailing. Wir starteten im Melchior-Archipel, dem Ort, an dem Tom im Jahr 2003 einen neuen Kanal, den Bremenkanal, entdeckte. Die Route führte weiter durch die Gewässer, die von der historischen Belgica-Expedition durchfahren wurden. Die Expedition dauerte 18 Tage, von denen nur vier Tage gemeinsam mit „Dagmar Aaen“ verbracht wurden. Beide Crews hatten viel Spaß dabei. Während der Reise haben wir die Orte erkundet, die auch die „Belgica”-Crew erforscht hat. Wir waren auf der Arctowski-Halbinsel, sahen die Dobrowolski-Insel, besuchten die chilenische Antarktisstation Gonzales Videla, segelten durch die Paradise Bay, überquerten zweimal die Gerlache-Straße – (Adrien de Gerlache war der Kommandant der ‘Belgici’). Insgesamt legten wir 150 km zurück. Wir beendeten die Expedition auf der Wiencke-Insel (Carl-August Wiencke war ein norwegisches Mitglied der „Belgici“-Besatzung) – in einer englischen Hütte am Damoy Point, nicht wegen der Assoziation dieser Hütte mit der „Belgica“-Expedition, sondern wegen der Assoziation mit dem phonetischen Klang des russischen Wortes. Es gab eine Zeit, in der Russischkenntnisse in unserem Land Pflicht waren. Ich erkläre der jüngeren Generation возвращение домой (damoj) – bedeutet, nach Hause zurückzukehren.
Der Nordpol
Polarreisen werden bei uns immer beliebter, die Menschen zieht es in diese kalten, rauen Regionen. Sie haben zweifellos ihren Reiz, aber war das schon immer so? Die Anfänge der Seefahrt liegen nicht dort. Natürlich besiedelten die Wikinger Ende des ersten Jahrtausends die nordatlantischen Inseln, Island, Südgrönland und erreichten Nordamerika. Davor gab es andere Expeditionen, die die Polarregionen erreicht haben sollen; im sechsten Jahrhundert soll der Mönch Brendan Island und Grönland erreicht haben, und fast 1.000 Jahre früher, im vierten Jahrhundert v. Chr., unternahm Pytheas von Massala (Marseille) eine Expedition nach Norden und erreichte Thule. Es ist jedoch ungewiss, wo dieses pythäische Thule zu verorten ist. Sicherlich nicht in Grönland. Einige spekulieren, dass es in Island liegt. Es ist nicht an uns, danach zu forschen. Im Allgemeinen schwammen die Menschen jedoch nicht zum Sport. Wlodzimierz Glowacki unterscheidet in seinem Werk „Die wunderbare Welt des Segelns“ deutlich zwischen „dem Vergnügen am Segeln“ und „Segeln zum Vergnügen“ Das Hauptmotiv für das Segeln war der Handel. Ende des 15. Jahrhunderts konkurrierten zwei Nachbarn auf den Meeren: Portugal und Spanien. Das verlockende Ziel war es, die sagenhaften Reichtümer des Ostens zu erreichen, die über arabische Karawanen nach Europa gelangten. Im Jahr 1488 erreichte der Portugiese Bartolomeu Dias das Kap der Guten Hoffnung und ebnete damit dal Vasco da Gama den Weg nach Indien. Im Jahr 1493 kehrte Christoph Kolumbus, der Genuese in den Diensten der Spanier, von seiner ersten Expedition nach Indien zurück, das natürlich nicht Indien war, aber das wusste Kolumbus nicht. Die beiden katholischen Staaten standen in starker Konkurrenz zueinander. Um einen wachsenden Konflikt über die Erforschung der Neuen Welt zu verhindern, teilte Papst Alexander VI. 1494 in Tordesillas kraft seines Amtes die Welt auf. Es wurde schließlich eine Demarkationslinie festgelegt, die 1184 Meter westlich der Kapverdischen Inseln verlief. Nach diesem Vertrag sollten alle neu entdeckten Staaten ohne christlichen Herrscher, die östlich dieser Linie lagen, zu Portugal und westlich dieser Linie zu Spanien gehören. Dabei ist zu beachten, dass keine anderen Staaten das Recht hatten, das Gebiet zu nutzen. Andere Länder wollten nicht tatenlos zusehen, während die beiden genannten reich wurden. Bereits 1497 brach John Cabot von Bristol aus auf und machte sich drei Jahrhunderte lang auf die Suche nach der Nordwestpassage – der Straße von Anian, die über die Nordroute vom Atlantik zum Pazifik führen sollte. Cabot gelangte bis nach Neufundland und war der erste Europäer nach den Wikingern, der die Küste Amerikas sah. Die Suche zog sich so lange hin, weil der Wunsch die Möglichkeiten überstieg. Die Schiffe der damaligen Zeit waren den Anforderungen der Eisschifffahrt nicht gewachsen. Es ist bemerkenswert, dass die Gelehrten der damaligen Zeit drei Möglichkeiten sahen, den Pazifik auf dem nördlichen Weg zu erreichen: die Passage, die heute als Nordwestpassage bezeichnet wird (über Amerika über den kanadischen Inselarchipel und über Alaska) und – die Nordostpassage (über den russischen Teil Eurasiens), aber auch die kürzeste (wie berechnet) – direkt über den Nordpol. Die Theorie des “offenen Wassers” war bekannt, nach der die eisfreien Gewässer um den Pol nur von einem Gürtel aus Treibeis umgeben waren, den man natürlich durchbrechen musste, um schließlich den Pazifik zu erreichen.
Ende des 18. Jahrhunderts bestand keine Notwendigkeit mehr, nach einer alternativen Route zum Pazifik zu suchen. Die Machtverhältnisse auf den Weltmeeren hatten sich bereits verändert, und es waren nicht mehr die Portugiesen oder die Spanier, die sie beherrschten. Es war die Zeit der Aufklärung, die Zeit nach den Entdeckungen von Kapitän James Cook und den Reisen von Alexander von Humboldt. Auf dem Gebiet der Seefahrt waren die Engländer führend und begannen, die Eroberung des Nordpols und der Nordwestpassage als nationale Ehrensache zu betrachten.
Constantine Phipps, der zwei Schiffe, die HMS Racehorse und die HMS Carcass, kommandierte, brach 1773 zu dieser Aufgabe auf. Er erreichte 80° 48′ N, schaffte es aber nicht, den „Eisgürtel“ zu durchbrechen. Die Engländer gaben nicht auf. Im Jahr 1818 entsandten sie zwei Expeditionen: eine unter John Ross zur Erkundung der Nordwestpassage, für deren Entdeckung eine Belohnung von 20000 Pfund ausgesetzt war, und die andere unter David Buchan auf den Schiffen HMS Dorothea und HMS Trent, die den Pol erreichen sollte. Buchans Expedition erreichte 80°34’N und übertraf damit nicht einmal das Ergebnis der vorherigen Expedition, und ich erwähne dies nur, um zu erwähnen, dass der Kommandant der HMS Trent John Franklin war, der später für seine Expedition zur Erkundung der Nordwestpassage bekannt wurde. Eine weitere englische Expedition im Jahr 1827 unter dem Kommando von William Edward Parry brach zwar den Rekord und erreichte 82°45′ N, doch war bereits eine Änderung der Taktik erkennbar. Die Engländer gaben die Theorie des reinen Wassers auf und Parry und seine Männer schleppten eigens gebaute Boote mit Schlittenkufen.
Der Versuch, den Pol nur per Schiff zu erreichen, wurde bereits 1869 von dem deutschen Kartographen August Petermann unternommen. Die beiden Schiffe Germania unter Kapitän Koldeway und Hansa unter Hegemann brachen nach Norden auf. Als sie die Eisgrenze erreichten, verloren die Schiffe am 20. Juli in einem Sturm den Kontakt. Nach erfolglosen Versuchen, sie wieder zusammenzuführen, erreichte die Germania den für einen solchen Unfall vereinbarten Ort vor der Insel Sabine, die der Küste Ostgrönlands vorgelagert ist, und überwinterte dort eingefroren im Eis in einer sicheren Bucht. Während der Liegezeit führte die Besatzung sowohl vom Schiff aus als auch auf langen Schlittenexpeditionen umfangreiche Forschungsarbeiten durch. Mitte Juli 1870 löste sich das Schiff von seinen Eisfesseln. Koldeway befahl dem Schiff erneut, nach Norden zu segeln, um nach Durchbrechen des “Eisgürtels” gemäß Petermanns Anweisungen den Pol zu erreichen. Als sie 75° 30’N erreichten, stellten sie fest, dass es sinnlos war, weiter nach Norden durchzubrechen. In der Besatzung glaubte niemand mehr an ein eisfreies Meer. Sie waren nicht einmal in der Lage, ihren eigenen Rekord von 77° N zu verbessern, den sie während der Schlittenexpedition aufgestellt hatten. Sie kehrten nach Süden zurück und segelten nach Hause.
Die Besatzung der „Hansa“ versuchte ebenfalls, den vereinbarten Ort zu erreichen, hatte dabei aber ohne Motor erhebliche Schwierigkeiten. Einmal waren sie sogar bis auf 35 Meilen an die Sabiner Insel herangekommen, schafften es aber nicht, aus dem Packeis auszubrechen. Das Ergebnis war, dass das Schiff vom Eis zusammengedrückt wurde und am 22. Oktober 1869 auf einer Position von 70°52′ N und 021°00′ W sank. Natürlich wurden auch Rettungsboote mitgenommen. Aus Briketts, die als Brennstoff für den Segeldampfer Germania (die Hanse war ein Segelschiff) gedacht waren, wurde auf dem Eis eine Hütte gebaut, in der die Schiffbrüchigen lebten. Die Scholle trieb mit ihnen mit der Strömung südwärts entlang der Ostküste Grönlands. Zunächst fühlten sie sich sogar wohl, doch als kurz nach Neujahr eine Reihe von Stürmen auftrat, wurde ihre Scholle immer kleiner. Als sie schließlich unter der Hütte zerbrach, war es mit dem „Luxus“ vorbei. Sie schliefen in ständiger Bereitschaft auf den Booten. Dann war auch damit Schluss, die Scholle war bereits zu klein, und da sie keine andere Möglichkeit hatten, kamen sie auf die Idee, in drei Rettungsbooten zu fahren. Es war der 7. Mai 1870, genau 200 Tage, seit sie vom sinkenden Schiff auf das Eis gezogen waren. Gelegentlich erreichten sie das Ufer, aber das war nicht immer möglich und änderte auch nichts an ihrer Situation, denn sie brauchten eine menschliche Siedlung. Nach mehr als einem Monat Fahrt erreichten sie schließlich am 13. Juni die Mission der Mährischen Brüder in Friedrichsthal in Südgrönland. Mit einem dänischen Schiff gelang es ihnen, nach Kopenhagen und von dort nach Deutschland zu segeln, wo sie am 3. September ankamen. Als die Germania eine Woche später, am 10. September 1870, in Bremerhaven anlegte, wurde sie am Kai von der Hansa-Besatzung begrüßt. Die Odyssee der Hansa kann ohne Übertreibung mit Shackletons „Endurance“-Expedition verglichen werden.
Die Kapitäne beider Schiffe lehnten die Freiwassertheorie einhellig und entschieden ab, woran August Petermann, ihr Schirmherr und Organisator der Expedition, war beleidigt. Jahre später, im Jahr 1878, nahm er sich das Leben. Er konnte nicht akzeptieren, dass die Welt nicht so war, wie seine Theorie es vorausgesagt hatte.
Aber seine Theorie lebte weiter.
In den Jahren 1878/79 befuhr das schwedische Segelschiff Vega unter der Leitung von Adolf Erik Nordenskjöld die Nordostpassage. Es segelte von Göteborg aus um Skandinavien herum und weiter östlich an der russischen Küste entlang. Er verpasste die Passage in einer Saison nur knapp, doch kurz vor der Beringstraße wurde er vom Eis aufgehalten. Sie überwinterten glücklich und setzten ihre Reise im folgenden Jahr, 1879, fort.
Die Weltpresse wartete den ganzen Winter 78/79, um zu erfahren, was mit der schwedischen Expedition geschah. Als es auch im zweiten Jahr keine Informationen gab, segelte der Amerikaner George W. De Long mit dem Schiff “Jeanette” von San Francisco aus nach Norden. In Tschukotka erfuhr er, dass Nordenskjöld glücklich überwintert hatte und segelte weiter. Der Auftrag war im Grunde erfüllt, aber De Long wollte die Gelegenheit nutzen. Er kannte die Theorie des “offenen Wassers” und beschloss, zum Pol zu segeln. Ohne seine Wanderschaft im Detail zu beschreiben, genügt es zu sagen, dass das Schiff im Eis festsaß und mit ihm nach Nordwesten trieb, bis es schließlich in der Nähe der Inseln, die heute den Namen De Long tragen, in der Nähe der Nordinseln gequetscht und zerdrückt wurde und sank. Die Besatzung schlug sich zu Fuß zur Lena-Mündung durch und einige überlebten. Die “Jeannette” sank 1881. Drei Jahre später wurden Überreste des gesunkenen Schiffes vor der grönländischen Küste entdeckt. Dies war der unumstößliche Beweis für eine bereits bestehende Theorie über eine transpolare Strömung, die dazu führte, dass von sibirischen Flüssen transportierte Baumstämme auf Spitzbergen und Grönland gefunden wurden. Inspiriert von diesem Ereignis beschloss der junge Norweger Fridtjof Nansen, mit den Kräften der Natur zum Nordpol zu segeln. Er war noch keine 30 Jahre alt, aber bereits Doktor der Biowissenschaften und hatte die erste Durchquerung des grönländischen Inlandeises hinter sich.
Er gewann die Unterstützung des norwegischen Parlaments und sorgte für eine angemessene Finanzierung. Auf seinen Wunsch hin baute der erfahrene Schiffsbauer Colin Archer die “Fram”. Ein Schiff, das dank seiner cleveren Konstruktion der erdrückenden Kraft des Eises widerstehen sollte. Nansen folgte nicht mehr der Theorie vom offenen, klaren Wasser im Norden. Seine Idee war es, das Schiff absichtlich im Eis einfrieren zu lassen und in diesem Zustand mit Hilfe der transpolaren Strömung über den Pol zu driften. Dank der Konstruktion mit rundem Boden wurde die “Fram” nicht vom vorrückenden Eis erdrückt, sondern von ihm nach oben gedrückt. Nun eine telegrafische Zusammenfassung der Geschichte dieser Expedition:
Am 21. Juni 1893 verlassen sie den norwegischen Hafen Vardö und fahren durch die Nordostpassage.
Am 22. August 1893 stürzt die “Fram” knapp westlich der De-Longa-Inseln ins Eis.
Die “Fram” driftet langsam nach Westen mit einem kleinen Fingerzeig nach Norden, und Nansen weiß bereits, dass sie wahrscheinlich nicht durch den Pol segeln werden.
Am 14. März 1895 brechen Nansen und Johansen zu Fuß zum Pol auf. Sie haben Hunde, Schlitten und Kanus dabei. Nansen hatte zwar vor der Reise festgelegt, dass es sich um eine rein wissenschaftliche Expedition handelt, aber der Ehrgeiz hat ihn übermannt und er will den Nordpol erreichen.
Am 14. März 1895 erreichen sie ihre nördlichste Position 86°14’N. – So weit nördlich war noch nie jemand gekommen. Sie wissen jedoch, dass sie, selbst wenn sie den Pol erreichen, nicht genug Proviant für den Rückweg haben werden. Sie beschließen, umzukehren, aber wohin? Schließlich ist die “Fram” weiter weggedriftet und es ist nicht klar, wo sie sich jetzt befindet. Sie planen, nach Spitzbergen oder nach Franz-Josef-Land zu gehen, das 1873 von der österreichisch-ungarischen Expedition “Tegetthoff” entdeckt wurde, die ebenfalls den Nordpol erreichen wollte. Natürlich verließen auch sie sich auf Petermanns Anweisungen.
Am 28. August 1895, als sie bereits Franz Josef Land erreicht haben, beschließen sie, auf der Jackson-Insel (heutiger Name) zu überwintern. Es ist zu spät, um die Reise nach Süden fortzusetzen. Ihr Ziel ist Port Eira auf Northbrook Island im südlichen Teil des Archipels. Dort gibt es seit der Expedition des Engländers Leight-Smith 1880/81 einen Stützpunkt, und im Sommer kann man dort Robbenfischer antreffen. Sie müssen also bis zum nächsten Sommer warten.
Am 16. Oktober 1895 erreichte der Eistreiber “” mit 85°57′ N die nördlichste Position, die je von einem Schiff erreicht wurde.
Am 19. Mai 1896 brachen Nansen / Johansen weiter nach Süden auf.
Am 16. Juni kommt es am Kap Flora auf der Northbrook-Insel zu einem Treffen zwischen Nansen und dem ebenfalls am Kap Flora ansässigen Engländer Jackson, der auf Franz-Josef-Land forschte.
Am 13. August 1896 bringt sie das Jackson-Versorgungsschiff „Windward“ in das norwegische Vardö.
Am 20. August 1896, also eine Woche später, trifft die „Fram“ im norwegischen Hafen Tromsö ein.
Sind die Versuche, den Nordpol per Schiff zu erreichen, damit beendet? Nein!
Aber erst zwei Expeditionen der Chronologie halber:
In den Jahren 1903-06 durchquerte Roald Amundsen auf dem kleinen Segelschiff Gjøa mit einem 13-PS-Hilfsmotor als erster die Nordwestpassage.
Am 21. Mai 1937 landete zum ersten Mal ein sowjetisches Flugzeug in der Nähe des Nordpols, um die Basis für die „Papanin-Drift“ (die absichtliche Drift von vier Personen auf einer Eisscholle vom Nordpol stromabwärts) zum 20-sten Jahrestag der Oktoberrevolution.
Am 3. August 1958 erreichte das US-amerikanische Atom-U-Boot „Nautilus“ den Nordpol unter dem arktischen Eis.
Am 17. August 1977 erreichte der sowjetische atomgetriebene Eisbrecher „Arktika“ als erstes Schiff den Nordpol an der Oberfläche. Im Rahmen der damit verbundenen Feierlichkeiten wurde eine große Tafel mit dem Wappen der Sowjetunion im Wasser versenkt.
Am 2. August 2007 erreichte der russische nuklear angetriebene Eisbrecher Rasiya den Nordpol und pflanzte mit Hilfe des Mini-U-Boots Mir (Frieden) eine russische Flagge aus Titan auf den Grund
(ca. 4000m).
Am 21. Juni 2015 erreichte Henryk Wolski an Bord des russischen Atomeisbrechers „50 Лет Победы“ den Nordpol und ließ sich mit seiner Concept Sailing-Flagge fotografieren – (Immerhin feierte er letztes Jahr sein 25-jähriges Bestehen!) Es ist schwer, von einer Art Eroberung des Pols zu sprechen, aber ich habe mich gefreut dort gewesen zu sein.
Henryk Wolski 26 Juli 2015
Vom Kościuszko Hügel zum Mount Kosciuszko – der mentale Abschluss der Expedition
Als ich 2007 die Expedition „Vom Hügel zum Berg Kościuszko“ mit der Yacht „Nashachata“ startete, wusste ich nicht viel über Strzelecki. Dass er aus Großpolen stammte, Australien erkundete und als Erster den Berg Kościuszko bestieg. Und ich dachte noch immer an eine Affäre vor der Ehe, allerdings ohne Einzelheiten. Die S/y „Nashachata“ stand kurz vor einer langen, schwierigen Reise. Aus heutiger Sicht sehe ich, dass ich mir damals zu viel vorgenommen habe. Im Oktober 2008 leitete ich die Etappe von Buenos Aires durch die Magellanstraße nach Westen, dann um das Kap Hoorn herum nach Osten und nach Ushuaia. Hier tauschte ich die Yacht „Nashachata“ gegen einen Nachbau des Walfangbootes „Fuegia“ und leitete auf dieser die Expedition „Darwin & Tierra del Fuego“ im Beagle-Kanal und in den Gewässern von Tierra del Fuego (der Name des Kanals stammt von dem Schiff HMS „Beagle“, dem von FitzRoy kommandierten Schiff, auf dem Darwin eine fast fünfjährige Weltumrundung unternahm). Die Expedition war schwierig, wir hatten mit vielen Widrigkeiten und natürlich auch mit Gegenwind zu kämpfen. Nach Abschluss dieser Expedition steigen wir erneut auf das Schiff „Nashachata“ um und brechen auf … zuerst zu den Falklandinseln und Südgeorgien und dann zu den Inseln des Südpolarmeers. Auf den Falklandinseln ging ein Besatzungsmitglied unter, als ihm einfiel, dass wichtige familiäre und berufliche Angelegenheiten es ihm nicht erlaubten, die Reise fortzusetzen. In Grytviken auf Südgeorgien erfuhr ein anderes Besatzungsmitglied, das häufig seine private Satellitenzelle nutzte, dass sein Schwiegervater krank und in einem so schlechten Gesundheitszustand war, dass er beschloss, ihm zu Hilfe zu eilen. Aber auf Südgeorgien gibt es weder einen Flughafen noch ein Hotel, in dem man warten kann, bis ein Schiff kommt, das einen Passagier aufnehmen kann. Zum Glück tauchte die m.v. “Hanseatic”, deren Kapitän ein Freund von mir war. Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Reeder hatte er die Erlaubnis, mein Besatzungsmitglied in einem Notfall mitzunehmen. Es gab allerdings ein Problem: Die “Hanseatic” fuhr nicht direkt nach Ushuaia, sondern begann gerade ihre Antarktis-Kreuzfahrt. Es stellte sich heraus, dass dies kein Hindernis war, schließlich konnte mein Schwiegervater eine Weile warten. Während der Hafenmanöver bei der Abfahrt verletzte sich Tom schwer an der linken Hand. Der Arzt, der sich auf der Forschungsstation befand, nähte sie ihm sorgfältig zu. Das war ein weiteres Problem, Tomek konnte nicht zurückgelassen werden, und nach einigen Tagen der Beobachtung des Heilungsprozesses seiner Hand, Beratungen und Überlegungen beschlossen wir, nach Kapstadt zu segeln, von wo aus Tomek mit dem Flugzeug nach Polen zurückkehren könnt.
Auf dem Weg dorthin verletzte sich ein anderes Besatzungsmitglied mit einem Glas an der rechten Hand und musste noch dringender behandelt werden. Graham verband ihn zwar so gut er konnte, aber ein Arzt war er nicht. Es wurde immer unwahrscheinlicher, Australien in der vorgesehenen Zeit zu erreichen, und alle beschlossen, die Reise in Kapstadt zu beenden. Der Schiffseigner organisierte eine Crew, die bereit war, nach Südafrika zu fliegen und nach Melbourne zu segeln. Die Zeit war knapp, wir wollten rechtzeitig für die gebuchte Etappe ab Neukaledonien ankommen. Dennoch gelang es uns, unterwegs die Crozet-Inseln sowie die Insel Amsterdam zu besuchen, über die ich vor langer Zeit gelesen hatte. Zwischen 1841 und ’51 war sie im Besitz von Adam Mierosławski, dem Bruder des sonst so berühmten Ludwik. Auf diesen Besuch hatte ich mich besonders gefreut. Als wir in Melbourne einliefen, war der Termin für die Ankunft in Noumea, Neukaledonien, so dringlich, dass an einen Ausflug zum Mount Kościuszko nicht einmal im Traum zu denken war. Die Aufgabe, die Erde vom Kościuszko Hügel auf dem Mount Kościuszko abzuladen, wurde dem in Australien lebenden Pole, Lech Laskowski, übertragen.
Es dauerte Jahre, bis sich eine weitere Gelegenheit bot, nach Australien zu segeln und die 2008 auf dem Schiff “Nashachata” begonnene Reise mental zu vollenden.
Im Jahr 2014 segelte die „Selma“ in Etappen von Südamerika nach Australien. Die Reise stand unter dem Motto “Auf den Spuren von Kapitän Cook” – es ist schwierig, über den Pazifik zu segeln und nicht auf die Spuren von Kapitän Cook zu stoßen. Mein Teil der Kreuzfahrt begann in Tonga. Von dort aus segelten wir über Fidschi, Vanuatu und Neukaledonien nach Brisbane in Australien. Dieses Mal war ich bereits vorbereitet. Für meinen Aufenthalt in Australien hatte ich 2 Wochen eingeplant. Das ist nicht viel für Australien, aber nach einer so langen Kreuzfahrt war das alles, was ich mir leisten konnte, und bald erwartete mich eine weitere Arbeitsreise. Diesmal vergrößerte sich mein Wissen über den großen Australier Paweł Edmund Strzelecki ins Unermessliche. Darwin, auf dessen Spuren ich 2008 segelte, kam am 12. Januar 1836 mit der HMS “Beagle” in Sydney an, Strzelecki weniger als drei Jahre später am 10. April 1839 mit der Bark “Justine”. Als Strzelecki Jahre später, 1845, in London sein unvergängliches Werk “The Physical Description of New South Wales and Van Diemen’s Land” veröffentlichte, schrieb Darwin aus Dankbarkeit für das ihm überlassene Exemplar wie folgt: “Ich beglückwünsche Sie zur Vollendung eines Werkes, das sicherlich viel Mühe gekostet hat, und ich bin überrascht über die Vielzahl der bedeutsamen Dinge, über die Sie schreiben. Ich bedaure, dass es nicht viel umfangreichere Auszüge aus dem ‘Travelogue’ gibt. Ich hoffe, dass er eines Tages in seiner Gesamtheit veröffentlicht wird und wünsche mir von ganzem Herzen, dass wenigstens ein Viertel unserer englischen Autoren in einer Sprache denken und schreiben könnte, die wenigstens halb so anschaulich und doch einfach ist.” Dieses Werk hat in der Geographie Weltruhm erlangt. Unser Landsmann P. E. Strzelecki erhielt dafür die Goldmedaille der Royal Geographical Society. Der fast 500 Seiten starke Band wurde in der englischen und australischen Presse sehr positiv besprochen. Für lange Zeit wurde es auch zu einem grundlegenden Werk für die Kenntnis Australiens und verschaffte Strzelecki eine hohe Stellung in der wissenschaftlichen Welt und öffnete ihm die Türen zu den Salons der Londoner High Society.
Der logistische und theoretische Hintergrund unseres zweiwöchigen Aufenthalts in Australien umfasste drei Protagonisten: Paweł Edmund Strzelecki, Josef Conrad und natürlich Captain Cook.
Die Website von Monika und Norbert Oksza – Strzelecki aus Poznań, Polen, war sehr hilfreich bei der Verfolgung von Strzeleckis Wanderschaft, da das gesamte Projekt von meiner Reisebegleiterin Krystyna Meglicka recherchiert und zusammengestellt wurde.
Es ist nicht schwer, Spuren von Strzelecki oder seinen Aktivitäten in Australien zu finden. Schon in Brisbane trank ich “Kosciuszko”-Bier, und die Kellnerin nannte fast korrekt seinen Namen. Engländer haben übrigens Pech mit diesen Namen, denn sowohl das Wort Strzelecki als auch Kościuszko sind für sie schwer auszusprechen.
In erster Linie wollte ich eine moralische Beinahe-Verpflichtung aus dem Jahr 2009 nachholen und den höchsten Berg Australiens, Mt. Kosciuszko, besteigen. Wenn man von Canberra aus dorthin fährt, kommt man durch die Stadt Cooma, vor deren Eingang ein Denkmal steht, das Kosciuszko gewidmet ist, mit einer Tafel, die besagt, dass er ein polnischer Freiheitskämpfer war. In der Gemeinde selbstwohnt ein entfernter Verwandter von Strzelecki – Les Strzelecki. Der Ausgangspunkt für die Besteigung des Berges ist das Dorf Jindabyne, in dessen Park eine Statue von Strzelecki steht und in dem viele Namen von Kościuszko zu finden sind – ein Maklerbüro, ein Restaurant, usw.
Wir erreichten den Gipfel am 09.11.2014. Es war der Beginn des australischen Frühlings, es wehte ein starker Gegenwind und wir mussten auf dem Weg Schneefelder überqueren. Wenn man vom Gipfel aus auf das Gebiet am Fuße des Berges und die gesamte Kette blickte, war es schwer, sich die Bedingungen vorzustellen, unter denen unser Landsmann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unterwegs war.
Hier und jetzt war das geistige Ende der 2008 begonnenen Expedition “Vom Kościuszko Hügel zu Mount Kosciuszko”.
Der Mount Kosciusko liegt im Snowy Mountains-Massiv, etwa fünfhundert Kilometer südwestlich von Sydney. Der 2228 Meter hohe Kosciusko-Berg ähnelt eigentlich dem Kosciuszko-Hügel in Krakau. Auf seinem Gipfel befinden sich zwei Tafeln; die erste informiert darüber, dass der polnische Reisende Paweł Edmund Strzelecki am 15. Februar 1840 als erster Weißer den höchsten Gipfel Australiens bestieg und ihn nach der Ähnlichkeit des Berges mit dem Kosciuszko-Hügel in Krakau benannte. Die zweite Gedenktafel wurde von Vertretern der polnischen diplomatischen Vertretung anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Erstbesteigung angebracht.
Die weitere Route der Reise auf Strzeleckis Spuren führte nach Tasmanien. Und hier ist ein weiterer „Bekannter“ – John Franklin, vielen Seeleuten von der Expedition bekannt, die 1845 mit der HMS „Erebus“ und der HMS „Terror“ aufbrach, um endlich die Nordwestpassage zu erkunden. Die Expedition scheiterte und alle kamen ums Leben. Zuvor war John Franklin von 1838 bis 1843 Gouverneur von Tasmanien. Strzelecki segelte auf Einladung seiner Frau Jane nach Tasmanien, die er bei George Gipps, dem Gouverneur von New South Wales, kennengelernt hatte. Strzelecki kam am 24. Juli 1840 an Bord der Brigg Emma in Hobart an. Kurz nach seiner Ankunft erhielt er ein Willkommensschreiben vom Gouverneur. John Franklin bot dem bereits berühmten australischen Entdecker weitreichende Hilfe und Unterstützung bei weiteren Forschungen an. Strzelecki war Gast in seinem Haus. Er unternahm drei große Expeditionen nach Tasmanien, darunter: Er entdeckte Kohlevorkommen und entwickelte ein Bewässerungssystem für das Landesinnere, das sich schnell zu einer Quelle landwirtschaftlichen Reichtums für Tasmanien entwickelte. Seine Arbeiten auf den Gebieten der Paläontologie und Geologie erregen noch heute Bewunderung unter Wissenschaftlern.
Im Dezember 1841 nahm er an einer zweimonatigen Marineexpedition unter dem Kommando von Captain J.L. Stokes teil. J.L. Stokes war Darwins Reisegefährte und teilte seine Kabine auf dem berühmten Die fünfjährige Weltreise der HMS Beagle. Während der Expedition wurden die Inseln in der Bass-Straße (der Meerenge zwischen Australien und Tasmanien) erkundet. Auf Flinders Island bestieg Strzelecki den höchsten Gipfel, den Stokes später Strzelecki Peaks nannte. Für Tasmanien stand uns eine Woche zur Verfügung, doch ist es schwierig, alle Orte aufzulisten, an denen sich Strzelecki in dieser Zeit aufhielt, insbesondere da der Reisende zwei Jahre dort verbrachte und auf seinen Reisen oft im Zickzack unterwegs war. Von Hobart aus fuhren wir über die Straßen im Landesinneren nach Norden und entlang der Ostküste zurück. Wir besuchten Städte, in denen Strzelecki sich aufgehalten hatte und wo man noch immer den Geist dieser Zeit spüren und zumindest eine kleine Vorstellung vom Ausmaß seiner Forschungsexpeditionen bekommen konnte. Auch wir beendeten die Reise in Hobart. Das Hotel, in dem wir übernachteten, lag direkt am Dervent River gegenüber der Otago Bay, an deren Ufer das Wrack der „Otago“ liegt, eines Schiffes, das einst von Joseph Conrad kommandiert wurde. Die Kommandozeit war mit 24. Januar 1888 bis 26. März 1889 nicht besonders lang, hatte aber viele literarische Folgen. In dieser Zeit befuhr er unter anderem folgende Routen: Bangkok – Sydney – Mauritius – Torres Strait – Melbourne – Adelaide.
Die Erfahrungen dieser Reise haben ihn tief geprägt. Conrad brachte dies in „The Shadow Line“ und in „The Mirror of the Sea“ zum Ausdruck. Das Wrack der „Otago“ lag im Jahr 1931 an seinem heutigen Standort, d.h. es „überlebte“ seinen berühmtesten Kapitän um etwa 7 Jahre. In Hobart traf ich Chris Nelson, meinen ehemaligen Reisegefährten von der ICESAIL-Expedition zur Umrundung des Nordpols auf der Yacht Dagmar Aaen. 1992 und 1994 versuchten wir, die Nordostpassage zu durchbrechen, aber das Glück war nicht auf unserer Seite. Doch dann fand Chris sein Glück – Swieta, die er heiratete und mit der er bis ans Ende seiner Tage glücklich zusammenlebte. Als wir 1993 die gesamte Nordwestpassage durchquerten, war Chris nicht dabei. Er war also im Jahr 2002 nicht dabei, als wir die Nordostpassage endlich vollendeten. Nachdem wir uns so viele Jahre nicht gesehen hatten, erkannten wir uns problemlos wieder, auch wenn unsere Haare inzwischen grau geworden waren. Es gab etwas, an das man sich erinnern konnte. Chris ist Hubschrauberingenieur. Auf unserer Expedition war er Pilot des Motordrachenflieger, der zur Ausrüstung der Yacht gehörte.
Von Hobart aus machten wir einen Roadtrip nach Bruny Island, das südöstlich von Hobart liegt. Mit der Fähre überquerten wir die D’Entrceasteaux-Straße, die die Insel von Tasmanien trennt. Unser Ziel war Adventure Bay. Der Name wurde 1773 von Tobias Furneaux, Kapitän der HMS Adventure auf Cooks zweiter Reise, vergeben. James Cook selbst hatte zu dieser Zeit das Kommando über die HMS Resolution. Allerdings ankerte er in dieser Bucht nur während seiner dritten und letzten Expedition im Jahr 1777. Der berühmte Kapitän William Bligh, der damals Cooks Segelmeister (eine Position ähnlich dem Ersten Offizier) war, besuchte sie noch vier weitere Male, zuletzt als Kapitän der HMS Bounty, Ende August 1788, kurz vor Ausbruch der berühmten Meuterei. Während der Reise der Selma hatten wir ihr Kielwasser bereits im Tonga-Archipel gekreuzt. Sowohl Cook als auch Bligh ankerten ihre Schiffe in derselben Bucht und versorgten ihre Schiffe mit Wasser aus demselben Fluss. Die Bruny Islands bestehen aus zwei Inseln, die durch einen natürlichen Damm/eine Nehrung – Tombolo – verbunden sind. Während ich diese relativ lange Straße entlangfuhr, dachte ich über Strzeleckis Reisen und Leben nach.
Nach einem vierjährigen Aufenthalt verließ Strzelecki Australien und ließ sich 1844 dauerhaft in England nieder. 1860 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford und 1869 den Orden von St. Michael und St. Georg, der ihm für „vierjährige Forschungen über Australien, die Entdeckung von Gold und neuen, zur Kolonisierung geeigneten Gebieten und schließlich für die Erstellung topografischer und geologischer Karten auf der Grundlage astronomischer Beobachtungen“ verliehen wurde – so heißt es in der Begründung der Ordensverleihung. Die britische Königin Victoria zeichnete ihn zweimal mit dem Commander of the Order of the British Empire und dem Commander of the Order of St. Michael and St. George aus. Sir Paweł Edmund Strzelecki erhielt am britischen Hof den Titel eines Lords, weil er in Australien Vorkommen von Gold und anderen Nichteisenmetallen entdeckt hatte. Eine Bergkette im Südosten Australiens im Bundesstaat Victoria ist nach ihm benannt. 2 Gipfel, ein See und ein Fluss in Australien. Sein Name erscheint auch in den Artnamen von Pflanzen und Tieren. Nachdem ich Strzelecki studiert hatte, war ich versucht zu sagen, dass Paweł Edmund Strzelecki der polnische Alexander von Humboldt ist. Erst wenig später entdeckte ich, dass ihn die Historiography of Science in the 19th Century (John Reynolds, Bernard Cronin) auf eine Stufe mit so herausragenden Wissenschaftlern dieses Jahrhunderts wie Humboldt, Franklin, Darwin und Wallace stellt. War Strzelecki ein Segler? Sicher nicht, aber er war der erste Pole, der eine individuelle wissenschaftliche Weltreise unternahm. Dies wurde mir am 16. November 2014 bewusst, als ich auf der Landzunge fuhr, die die beiden Teile von Bruny Island verbindet.